Der Geburtstermin

Der errechnete Geburtstermin rückt immer näher und die Spannung der werdenden Eltern steigt. Viele Paare, die ihr Kind erwarten, fiebern regelrecht dem Datum entgegen, an dem ihr Baby das Licht der Welt erblicken soll.

Doch wie wahrscheinlich ist es wirklich, dass das Kind an diesem Tag geboren wird?

Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Baby auf sich warten lässt und was kann unternommen werden, um den Start der Geburt zu beeinflussen?

Eine Schwangerschaft dauert theoretisch 40 Wochen, das heißt 280 Tage.

Als Ausgangsdatum dient jeweils der erste Tag der letzten Menstruationsblutung der Frau. 40 Wochen später wird ein Kind erwartet, welches in diesen 280 Tagen entsteht, sich entwickelt und wächst. Es wird auf ein Leben außerhalb der Gebärmutter vorbereitet.

Der Besuch beim Facharzt/bei der Fachärztin in den ersten Wochen der Schwangerschaft beinhaltet in den meisten Fällen eine Ultraschalluntersuchung. Bei dieser wird festgestellt, ob der Embryo passend zum errechneten Geburtstermin gewachsen ist.

Man geht davon aus, dass sich alle Embryonen in den ersten Wochen der Schwangerschaft gleich schnell entwickeln und wachsen. Deshalb ist es möglich, anhand von Messungen der Fruchthöhle, wie auch der sogenannten Scheitel-Steiß-Länge Rückschlüsse auf das Alter der Schwangerschaft zu ziehen. Sollte es hierbei Abweichungen zum errechneten Termin laut letzter Regelblutung geben, wird der Geburtstermin anhand der Messungen mit dem Ultraschallgerät neu festgelegt.

An diesem Punkt stellt sich die Frage, warum von medizinischer Seite so viel Wert auf einen richtigen Geburtstermin gelegt wird.

Betrachtet man die Überwachung der Schwangerschaft und Entwicklung des Kindes, so birgt eine genaue Berechnung des Schwangerschaftsalters den Vorteil, Abweichungen von der Normalverteilung schnell zu erkennen. Zum Beispiel wenn ein Kind für sein Alter zu klein oder zu groß erscheint. Bedenkt man allerdings, dass Schwangerschaft und die Entwicklung eines Menschen eine individuelle Sache ist, die sich vielleicht nicht immer mit einer Normalverteilung beurteilen lässt, kommt man zum Entschluss, dass eventuell auch falsche Diagnosen daraus resultieren.

Um die Sache zu verdeutlichen, sei Dr. med. Sven Hildebrandt, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, erwähnt: Er ist der Überzeugung, dass man eine Schwangerschaftsdauer nicht mit fixen 40 Wochen festlegen könne.

Denn hierbei ginge es um die Entwicklung von Individuen, die unterschiedlich wachsen und verschieden schnell reifen. Als Vergleich stelle man sich einen Apfelbaum vor: Obwohl alle Früchte dieses Baumes gleichen Reifungs- und Witterungsbedingungen ausgesetzt sind, sind doch nicht alle Äpfel an einem bestimmten Tag reif. Laut ihm verhielte es sich gleichermaßen mit der Entwicklung von Babys in der Gebärmutter. Nicht alle sind nach 40 Wochen gleich reif, weil die Schwangerschaft von vielen Faktoren beeinflusst wird.

Er spricht sich deswegen für die Berechnung eines Geburtszeitraums anstelle von einem starren Geburtstermin aus. Dies wäre fairer für die Eltern, welche nicht überrascht darüber sind, wenn ihr Kind schon früher oder doch etwas später auf die Welt kommt. Und es würde den GeburtshelferInnen einen größeren Spielraum verschaffen und voreilige Entschlüsse reduzieren.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass eine genaue Bestimmung des Schwangerschaftsalters zwar vorteilhaft zur Erkennung von Regelwidrigkeiten ist, die Bestimmung eines genauen Geburtstermins aber wenig Sinn macht. Denn nur etwa 4% aller Kinder werden am errechneten Geburtstermin geboren.

Daraus resultierend kann gesagt werden, dass Eltern sich nicht auf diesen einen Tag versteifen sollten. Man sollte eher mit einem Zeitraum rechnen, in dem ihr Kind auf die Welt kommen wird.

Aus geburtshilflicher Sicht spricht man dann von einer termingerechten Geburt, wenn das Baby nach der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche (37 Wochen plus null Tage) und vor der vollendeten 42. Schwangerschaftswoche (41 Wochen plus sechs Tage) geboren wird. Das bedeutet einen Zeitraum von 34 Tagen, in dem es völlig normal ist, wenn das Kind auf die Welt kommt. Von einer richtigen Übertragung spricht man erst ab einer Schwangerschaftsdauer von 42 Wochen und alles, was darüber hinaus geht.

Aufgrund des täglich ansteigenden Risikos einer Mangelversorgung des Kindes, wird ab dem Geburtstermin zu einer engmaschigeren Kontrolle von Mutter und Baby geraten. Diese Kontrolle sollte lediglich als Absicherung und nicht zur Verunsicherung der Schwangeren unternommen werden.

Die Praxis zeigt, dass immer häufiger GeburtshelferInnen dazu neigen, verfrüht Maßnahmen zur Beendung der Schwangerschaft bzw. zur Einleitung der Geburt zu ergreifen. Die Begründung dafür ist es ein eventuelles Risiko auszuschließen.

Häufig resultieren daraus Konsequenzen wie:

  • regelwidrige Geburtsverläufe und
  • Neugeborene, die noch nicht zur Gänze bereit für die Außenwelt sind und Anpassungsschwierigkeiten zeigen.

Wann Wehen einsetzen, ist von vielen Faktoren abhängig:

  • Bestimmte Hormone müssen wirken,
  • das Baby muss Druck auf den Muttermund ausüben,
  • vom Kind werden bestimmte Botenstoffe freigesetzt und auch
  • die psychische Konstitution der werdenden Mutter spielt bei der Entstehung von geburtswirksamen Wehen eine wesentliche Rolle.

Dadurch wird klar, dass es sehr viele Gründe geben kann, warum ein Baby nicht am Geburtstermin auf die Welt kommt und sich auch keine Anzeichen für beginnende Wehen bemerkbar machen.

Wenn Wehen auf sich warten lassen,

ist einerseits Geduld angesagt und andererseits sollte sich die Schwangere selbst hinterfragen. Oft beschreiben Frauen das Gefühl, noch nicht bereit zu sein, weil sie noch etwas zu erledigen haben, der Vater auf Geschäftsreise ist oder sie Angst vor der Geburt haben.

Die Praxis zeigt, dass das Bereitsein für Wehen ein sehr wichtiger Punkt ist, damit eine Geburt in Gang kommt. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, wichtige Dinge vorher zu erledigen. Damit hat die Gebärende zum Geburtszeitraum die Möglichkeit, sich auf die Geburt einzustellen. Gespräche mit einer vertrauten Person oder Hebamme können helfen, um Ängsten vor der Geburt entgegenzuwirken. Eine professionelle Aufklärung über den Ablauf einer Geburt wird meistens sehr dankend angenommen. Die Frau bekommt dann eine Vorstellung von dem, was sie im Großen und Ganzen erwartet.

Das wahllose Durchstöbern von Foren

führt aufgrund vieler Fehlinformationen oft zu Horrorvorstellungen und unbegründeter Panik. Frauen sollten versuchen positiv über die bevorstehende Geburt zu denken. Angst führt zu Anspannung und somit die Sache erschwert wird. Das Baby muss ebenso bereit und reif für die Außenwelt sein. Dafür hat es Zeit – bei guter Überwachung und keinen Auffälligkeiten – auch über den Geburtstermin hinaus.

Das bedeutet, dass Geduld an erster Stelle steht, wenn es darum geht, dass ein Kind geboren werden soll. Oft fehlt nur noch ein kleiner Anstoß, bevor das Abenteuer Geburt beginnt.

Quellen
Dr. med. Sven Hildebrandt, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Referent am Österreichischen Hebammenkongress am 12.04.2012 in Salzburg.
Geist, Ch, Harder, U & Stiefel, A 2007 (Hrsg.), Die Hebammenkunde, Hippokrates, Stuttgart.